Sprüche wie “der Kunde ist König” oder “der Markt wird von Angebot und Nachfrage bestimmt” gehören zum Standardrepertoire eines Betriebswirtes. Wer ein Produkt anbietet, das dem Kunden gefällt und entsprechend stark angefragt wird, kann sich über den erwünschten Umsatz freuen. Soweit so einfach. Daher sieht sich jeder Einzelhändler in der Verantwortung, eine Auswahl an verschiedenen Produkten bereitzustellen, die den jeweiligen Anforderungen des Kunden entsprechen. Bevor aktive Sortimentspolitiken betrieben werden können, muss festgelegt werden, wie sich ein Sortiment definiert. Die Sortimentsgestaltung zählt zu den wichtigsten Aufgabenbereichen des Marketings & der Positionierung des Geschäfts. Hier wird entschieden, welche Produkte ein Unternehmen anbietet, künftig anbieten wird oder vom Markt nehmen sollte. Entsprechend umfangreich sind die möglichen Maßnahmen der Sortimentspolitik. Diese vielfältigen Instrumente werden hier anhand eines konkreten Beispiels erklärt. So bekommen Sie den perfekten Überblick über Diversifikation, Produktelimination und Sortimentstiefe.
Wie setzt sich ein Sortiment zusammen?
In der Lehre der Betriebswirtschaft wird das Sortiment eines Handelsbetriebs als alle angebotenen Waren und Dienstleistungen beschrieben. Der Aufbau eines Sortiments gliedert sich systematisch in die die verschiedenen Ebenen des Sortiments, die sogenannte Sortimentspyramide. Ein Modell aus der BWL, kurz und anschaulich dargestellt anhand eines lokalen Kaufhauses.
Ebene 01: Warenbereich
> Das Kaufhaus führt sowohl Lebensmittel (Warenbereich 1) als auch Sportartikel (Warenbereich 2) und Bekleidung (Warenbereich 3).
Ebene 02: Warengruppen
> Der Warenbereich 3 teilt sich in Herrenoberbekleidung & Damenoberbekleidung auf.
Ebene 03: Artikelgruppe
> Die Warengruppe Herrenoberbekleidung hat die Warenarten Anzüge und Hemden.
Ebene 04: Artikel
> Anzüge in Schurwolle und Anzüge in Leinen finden sich im Sortiment wieder. Anzüge aus Schurwolle werden in verschiedenen Farben und Größen verkauft.
Handlungsspielraum in der Sortimentspolitik: Die Sortimentsstrukturen
Sortimentsstrukturen zeigen an, welche Bedeutung einzelne Bestandteile bezogen auf den Gesamtumsatz und die Verweildauer im Sortiment haben. Die Sortimentsgestaltung zählt zu den wichtigsten Aufgabenbereichen des Marketings.
Dauerhafte Sortimentsstrukturen
Abhängig vom Geschäftsmodell spricht man davon, dass das dauerhafte Sortiment mehr als 3/4 des Umsatzes und der Ladenfläche einnimmt. Erfolgreich ist jener Betrieb im Einzelhandel, der es genauestens schafft, sein dauerhaftes Sortiment an die Bedürfnisse des Kunden anzupassen und eine klare Positionierung des Geschäfts vorzunehmen. Das dauerhafte Sortiment sollte regelmäßig überprüft und angepasst werden.
Das Kern- und Präsenzsortiment
Prinzipiell unterscheidet man zwischen dem Kern- und dem Randsortiment. Butter & Käse sind das Kern- oder auch Präsenzsortiment eines Supermarktes. Das Kernsortiment umfasst alle Produkte, die zum Standardangebot der jeweiligen Branche gehören. Sie tragen in der Regel den Hauptumsatz des Unternehmens.
Das Randsortiment
In einem Kaufhaus gehören Sondergrößen von Anzügen zum Randsortiment. Es handelt sich um Waren, die von Kunden selten verlangt werden, jedoch das Sortiment abrunden.
Das Zusatzsortiment
Feinkostwaren werten in einem Supermarkt das Kernsortiment auf. Das Zusatzsortiment ergänzt das Kernsortiment dauerhaft. Ziel ist eine Erweiterung des Sortiments.
Nicht Dauerhafte Sortimentsstrukturen
Bei nicht dauerhaften Sortimenten spricht man in der Regel von einem Anteil von 1/4 des Gesamtumsatzes des jeweiligen Geschäftsmodells. Laufend neue Aktionsideen sind daraufhin einer der Hebel, um mit der Sortimentsgestaltung die bestehende Kundenfrequenz zu erhöhen und optimal zu nutzen.
Das Saisonsortiment
Feuerwerk wird im Supermarkt speziell rund um den Jahreswechsel angeboten. Genauso gibt es Produkte speziell zur Oster- oder Weihnachtszeit. Relativ simpel: Es handelt sich um temporäre Waren, die nur zu einer bestimmten Zeit angeboten werden.
Das Aktionssortiment
Der lokale Elektrofachmarkt wirbt während den Umzugs Wochen mit Angeboten rund um Produkte für den Einzug in ein neues Heim. Beispielsweise mit Mikrowellen.
Sortimentspolitik: Welche Maßnahmen im Einzelhandel zeigen in der Sortimentsgestaltung Wirkung?
Die Sortimentspolitik umfasst alle Entscheidungen und Maßnahmen, welche sich mit der Zusammenstellung des Sortiments befassen. Im täglichen Wettbewerb zwischen Onlineshop, Handelsketten, Marktplätzen und den großen Markenanbietern, erfasst den Einzelhändler kein leichtes Schicksal. Seit Längerem ist der lokale Händler gezwungen, seine bestehende und tendenziell eher sinkende Kundenfrequenz besser zu nutzen, um seine Umsätze zu sichern oder zu steigern. Die einzige Option ist daher, eine aktive und kundenzentrierte Sortimentsgestaltung, die sich an die jeweils lokale Kundenstruktur anpasst.
Maßnahme 01: Die Sortimentsdiversifikation – (Verbreiterung des Sortiments)
Eine Strategie ist, das Sortiment zu verbreitern. Wenn ein Unternehmen neue Produktgruppen in sein Sortiment aufnimmt, wird dies als Diversifikation bezeichnet. Je mehr Warengruppen oder Warenbereiche, desto breiter das Sortiment. Die Anzahl der Produktgruppen wird demnach als Sortimentsbreite bezeichnet. Vorteil eines breit aufgestellten Sortiments ist es, dass die Absatzrisiken aufgrund eventueller Umsatzrückgänge einzelner Warenbereiche durch andere Warenbereiche mit stabilen oder steigenden Umsätzen ausgeglichen werden können. Je nachdem, welche Art von Produktgruppen ein Unternehmen aufnimmt, wird die Diversifikation in drei unterschiedliche Bereiche eingeteilt.
Die horizontale Diversifikation
Hierbei werden zusätzliche nahe liegende Warengruppen, die “nebeneinander” im Sortiment stehen können, etabliert. Diese befinden sich auf derselben Stufe der Wertschöpfungskette wie die bisherigen Produkte. In diesem Fall würde beispielsweise ein Elektrofachmarkt zusätzlich zum Sortiment von Smartphones & Fernsehern, Monitore anbieten.
Die vertikale Diversifikation
Eine vertikale Diversifikation wird beschrieben als die Zufuhr von Produkten und Dienstleistungen, die in der Produktionskette vor oder hinter den bisherigen Angeboten stehen. Der Elektrofachmarkt, der unter anderem Smartphones verkauft, würde bei dieser Strategie zusätzlich Einrichtungshilfen oder Reparaturservices anbieten.
Die laterale Diversifikation
In der lateralen Diversifikation werden Produkte in das Portfolio aufgenommen, die mit dem ursprünglichen Geschäftsfeld nichts zu tun haben. Es werden also neue Warenbereiche aufgenommen und hiermit versucht, neue Kundengruppen zu erschließen.
Nachteile der Diversifikation
Je bereiter ein Sortiment, sprich je mehr Warengruppen eine Filiale führt, desto komplexer werden die internen Prozesse und Abläufe zur alltäglichen Betreuung der Produktpalette. Neue Produkte müssen eingepflegt, im Warenbestand überwacht, in der Filiale gegebenenfalls nachgefüllt oder nachbestellt werden. Zusatzaufwand, der eine erhöhte Komplexität entstehen lässt, die ein manches Geschäft schon stark herausgefordert hat. Oft fehlt es dadurch an einer anderen Stelle, wodurch Produkte nicht mehr mit Liebe aufgestellt werden können oder kaum Zeit für die Beratung des Kunden bleibt. Dies sind Folgen einer Diversifikation, die einen direkten Einfluss auf das Geschäftsmodell haben können.
Maßnahme 02: Die Sortimentsdifferenzierung – (Vertiefung des Sortiments)
Ähnlich wie bei der Sortimentsdiversifikation werden bei der Sortimentsdifferenzierung das Sortiment erweitert. Im Gegensatz zur Sortimentsbreite soll hierbei die Sortimentstiefe durch die Anzahl der Produkte innerhalb einer Produktgruppe erweitert werden. Durch die Tiefe des Sortiments soll möglichst zu vielen Marktsegmenten und damit Zielgruppen Zugang gefunden werden. Es geht bei der Sortimentsdifferenzierung um eine Risikostreuung. Absatzprobleme in einem Segment können so auch durch den Absatz in anderen Segmenten ausgeglichen werden. Eine größere Sortimentstiefe bedeutet mehr alternative Kaufmöglichkeiten für die Kunden, sodass die sogenannte Vollständigkeit des Angebots zunimmt. Der Elektrofachmarkt würde beispielsweise innerhalb der Warengruppe Smartphones die Auswahl erweitern.
Maßnahme 03: Sortimentsbereinigung & Spezialisierung – (Weniger Produktgruppen im Portfolio)
Bei einer Sortimentsbereinigung werden Kürzungen des Sortiments vorgenommen. Dies ist auf jeder Ebene möglich. Von der Einschränkung der Variationen von einzelnen Artikeln, also beispielsweise die Limitierung auf lediglich zwei Smartphone Hersteller im Elektrofachmarkt bis zu der Streichung ganzer Warenbereiche. Smartphones können somit auch komplett aus dem Sortiment genommen oder ersetzt werden. Die Sortimentsbereinigung hat je nach Art, einen Einfluss auf die Sortimentstiefe und Sortimentsbreite.
Oft sind Produkte, die zum Opfer von Sortimentsbereinigungen fallen, gefundenes Fressen sowohl für konkurrierende Firmen in derselben Branche oder für den Verbraucher, der einen wahnsinnigen Schuss im Sonderverkauf landen kann.
Kurzfristig fallen durch die Sortimentsbereinigung natürlich Umsätze weg, die durch eine bessere Ausrichtung des Geschäftsmodells jedoch langfristig kompensiert werden können.
Begründung für die Bereinigung einiger Elemente des Sortiments
Die Gründe für Sortimentsbereinigungen können vielfältig sein. In Zeiten, in denen der Schutz der Umwelt immer relevanter in der täglichen politischen Agenda ist, verändern sich gesetzliche Rahmenbedingungen ebenfalls ständig. Produkte, welche die Rahmenbedingungen in der Energieeffizienz oder die Handelsbestimmungen in der Produktsicherheit und im Arbeitnehmerschutz nicht erfüllen, sind schneller vom Markt, als einem lieb ist.
Der Bedarf bzw. die Bedürfnisse der Kunden können sich innerhalb weniger Wochen geändert haben. Oft kann das auch mit einem technischen Fortschritt und mit innovativen Produkten der Konkurrenz zusammenhängen. Produkte wie ein MP3 Player können in der Nachfrage von heute auf morgen absinken. Neue Möglichkeiten, wie die Einführung des Smartphones mit der Möglichkeit, Musik zu hören, stellen ältere Produkte leicht in den Schatten.
Erfolgreiches Sortiment aufstellen
Erfolgsfaktoren eines Sortiments sind von Branche zu Branche und von Geschäftsmodell zu Geschäftsmodell unterschiedlich und nicht zu verallgemeinern. Ein Produktsortiment stellt die fundamentale Grundlage eines Geschäfts dar, deshalb ist das Wichtigste, eine einheitliche Strategie zu verfolgen. Eine klare Positionierung, die jeder Kunde leicht verstehen kann und seinen Freunden erklären kann, ist und bleibt das A und O einer soliden Sortimentspolitik. Darüber hinaus ist es wichtig zu experimentieren, um die Bedürfnisse und die sich wandelnden Anforderungen der eigenen Kunden zu verstehen und datengestützt zu analysieren.
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