Autor: Dr. Ralf Deckers, Bereichsleiter am IFH KÖLN (live zu erleben am 04.03.2024 auf der IAW-Messe, in der E-Commerce Arena, Halle 7, Stand D 118)
Wie der Handel aus der Krise frischen Wind für neue Wege schöpfen kann.
„Krisenmodus“ ist das Wort des Jahres 2023. Das teilte die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden mit. Und seien wir ehrlich: Sehr wahrscheinlich wird es auch das Wort Jahres 2024 werden. Nach wie vor steigen die Preise. Und das merken die Verbraucherinnen und Verbraucher: beim täglichen Einkauf, beim Onlineshopping, beim Restaurantbesuch. Man schaut verwundert auf die Rechnung und sagt sich, so viel habe ich doch gar nicht gekauft.
Hinzu kommen politische Debatten, die verunsichern. Der Streit um das Heizungsgesetz und die daraus folgenden Anforderungen an Eigenheimbesitzer. Der geplatzte Bundeshaushalt 2023 und der schwierige Haushalt 2024. Bazooka, Wumms und Doppel-Wumms scheinen irgendwie verpufft. Die Unsicherheit steigt, was in welchem Kostenumfang auf jeden zukommt.
Die tägliche Einkaufserfahrung, das Klima der Unsicherheit haben Folgen. Natürlich. Immer mehr Menschen sparen, gehen verstärkt in den Discounter, wechseln zur Handelsmarke, versagen sich Spontankäufe. Ein weiterer Anteil wartet noch ab, geht auch an Erspartes. Alles in allem sind drei Viertel der Bevölkerung mit Preisvergleichen und Sparen beschäftigt. Das ist enorm.
Nicht zufällig erleben gerade auch die Second-Hand-Produkte einen Boom. Der geringere Preis der Gebrauchtware spielt dabei natürlich eine Rolle. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Der andere Teil verweist auf eine gewandelte Einstellung. Man spricht lieber von Vintage oder Preloved. Das klingt einfach viel besser. Und es lässt Individualität, kleine Produkt- und Vorbesitzergeschichten anklingen und mitschwingen. Man kauft dann nicht einfach preiswert, man kauft für den eigenen, natürlich höchst individuellen Lebensstil. Und das Schöne dabei: Man tut gleichzeitig etwas Gutes für die Umwelt.
Für den Handel bringt auch die Krise neue Chancen. Das klingt nach Motivationsseminar und Beratersprech. Aber lesen Sie bitte weiter. Schauen wir hin, wo der Handel ansetzen kann und muss:
- Der Handel muss Preis-Vertrauen signalisieren. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher argwöhnen, die Hersteller würden die Krise nutzen und das Preisniveau einfach erhöhen. Auch dort, wo es eigentlich nicht geboten erscheint (etwa durch verteuerte Rohstoffe, teurere Vorprodukte, aufwendigere Lieferketten). Man langt einfach hin. Die Situation ist grad so schön günstig. Der Handel muss vermitteln, dass er nicht zur Kategorie der Zugriffsbereiten gehört. Die Mittel hierfür sind bekannt und wirksam. Eine Niedrigpreis-Garantie kommt bei der Kundschaft an und ist nicht zuletzt für die Käufe hochrelevant.
- Der Handel muss Sparstrategien bedienen und Kaufhemmnisse auflösen. Dabei hilft das Angebot einer preisgünstigeren Marke. Wenn viele ins untere Regalsegment ausweichen, muss das preisgünstigere Angebot dort schon platziert sein. Und wer dann immer noch zaudert, wird mit Garantien und Services angelockt. Die Geld-zurück-Garantie überredet dazu, erstmal zu kaufen. Zurückgeben kann man dann immer noch. (Und tut es dann meist nicht.) Die Garantieverlängerung stellt längere Halte- und Nutzungszeiten in Aussicht. Kostenlose Reparaturservices werten das Gesamt-Angebot auf und sorgen für die Sicherheit einer fortlaufenden Nutzung.
- Der Handel braucht den Kommunikations-Wumms. Fest steht, der Prospekt, aktuell vor allem der gedruckte Prospekt, zieht im Kanalvergleich mit anderen Kanälen der Angebotskommunikation – egal ob online oder offline – am meisten in der schlussendlichen Abverkaufswirkung. Der Prospekt ist ein Meister darin, Frequenzen zu steigern und Warenkörbe zu vergrößern. Gerade jetzt ist diese Wirkmächtigkeit gefragt. Aber das ganze Kommunikations-Orchester macht die Wirkung. Auch der Online-Auftritt, auch die Preisvergleichsseiten oder Angebotskommunikation im Store vor Ort spielen effektvoll mit – um nur einige wenige relevante Kanäle zu nennen. Aber: Jeder Händler muss individuell hinschauen und die richtigen Wege der Kommunikation von Angeboten zur richtigen Zeit an die richtige Zielgruppe bringen. Das ist in Zeiten, wo wir immer mehr Daten über unserer Kundschaft zur Verfügung haben, immer einfacher möglich.
- Der Handel muss den Preloved-Boom mitnehmen. Der Handel sieht die Umsatzchance, die das Gebrauchtgeschäft bietet. Keine Kleinigkeit in den Zeiten von Kaufzurückhaltung und Minuswachstum. Der Handel sieht auch den Imagegewinn, den das Preloved-Business befördert. Man kann sich dadurch als „nachhaltig“ positionieren. Und auch in schweren Zeiten ist das Thema Nachhaltigkeit nicht von der Tagesordnung verschwunden. Es ist etwas nach hinten gerutscht und die Mehrpreisbereitschaft für nachhaltige Produkte scheint (vorerst) ist gebremst. Aber: Konsumentinnen und Konsumenten erzählen uns, nach Ende der Krise würden sie auch wieder mehr für Nachhaltigkeit ausgeben wollen. Ein guter Grund, hier schon mitzumischen. Auch wenn das Tagesgeschäft oft erste Prio hat: Mit der Ausrichtung auf Nachhaltigkeit wird in die Zukunft investiert.
„Krisenmodus“ ist Wort des Jahres 2023. Zu Recht, wie unsere empirischen Befunde zur Gemütslage und zum Einkaufsverhalten der Deutschen zeigen. Aber gleichzeitig sind auch Stellhebel und Chancenfelder da, die ein erfolgreiches Unternehmen möglich machen. Auch das haben wir gezeigt. Nutzen wir das. Und arbeiten wir daran, dass das Jahr 2024 zum Jahr des „Chancenmodus“ wird.